Von Anfang an hatte Jeff Bezos ein Ziel mit Amazon: Wachstum durch Skalierung. Was erst einmal abstrakt klingt, sieht in der Praxis „einfach“ aus: Biete dem Kunden ein besseres Nutzererlebnis durch eine größere Auswahl an Produkten. Anfang der 90er Jahre gab es noch kaum eine Möglichkeit, Bücher online zu kaufen geschweige denn, ein digitales Verzeichnis mit allen bisher gedruckten Büchern. Genau in diese Lücke hat Bezos Amazon gegründet: Eine Shopping-Plattform, auf der man jedes bisher veröffentliche Buch online kaufen kann und das zum günstigsten Preis. Große Auswahl, günstige Preise führen zu mehr Nutzern und mehr Traffic, was wieder Amazon attraktiver macht für mehr Publisher, Hersteller, Distributoren und Händler.
Amazon Flywheel / Virtuous Cycle
Genau dieser Kreislauf wird auch als „Virtuous Cycle“ oder „Amazon Flywheel“ bezeichnet, ein System, das auf Wachstum durch massive Skalierung setzt. Während die vier Faktoren Produktauswahl, Nutzererlebnis, Traffic und Verkäufer einen recht homogenen Kreislauf darstellen, kommt im Amazon Flywheel noch ein weiterer Faktor dazu, der wie eine Art Katalysator, bzw. Booster funktioniert. Durch immer größeres Wachstum können die internen Infrastrukturen im Unternehmen deutlich verbessert werden, was wiederum zu einer deutlich effektiveren und geringeren Kostenstruktur führt. Das wiederum wirkt sich direkt auf günstigere Verkaufspreise der Produkte auf Amazon aus, was damit zu höherer Kundenzufriedenheit, bzw. besserem Nutzererlebnis führt. Und schon dreht sich das Flywheel noch schneller.
Amazon Flywheel Beispiel Marketplace
Um das Flywheel-Prinzip einmal praktisch zu klären, muss man nur auf den Amazon Marketplace schauen. Tausende von Händler bieten ihre Produkte dort zum Verkauf an. Die Produktauswahl allein auf der deutschen Plattform umfasst momentan circa 300 Millionen aktive Angebot. Diese riesige Auswahl lockt natürlich viele Kunden an, die durch besondere Events wie dem Amazon PrimeDay noch zusätzlich „verführt“ werden, auf dem Marketplace zu kaufen. Millionen von potentiellen Käufern sind natürlich wiederum extrem attraktiv für Onlinehändler, die noch nicht auf Amazon sind. Neue Händler bieten wieder neue Produkte an, sprich die Auswahl vergrößert sich weiter – das Amazon Flywheel dreht sich weiter und schneller.
Nicht jeder Verkäufer bietet allerdings „neue“ Produkte an. Viele Seller treten auch als sogenannte „Reseller“ in Erscheinung, d.h. sie verkaufen Handelsware, die bereits bei Amazon schon gelistet ist. Während auf ebay jedes gleiche Produkt parallel in den Suchergebnissen angezeigt wird, werden diese in der Amazon BuyBox zusammengefasst. In der Regel erscheint hier nur der Händler, der auch den günstigsten Preis anbietet. Und auch das begünstigt den „Virtuous Cycle“ auf Amazon, denn günstigere Verkaufspreise freuen wiederum die Käufer. (Mehr zum Thema Warum ist Amazon erfolgreich im intomarkets-Blog)
Amazon Flywheel Beispiel Advertising (rekursiv)
Die reine Verkaufsplattform ist natürlich nicht das einzige Standbein von Amazon. Wie Google auch bietet Amazon mittlerweile eine breite Auswahl an Werbemöglichkeiten an, die jedem Seller und Vendor und sogar externen Interessenten zur Verfügung stehen. Viele organische Suchergebnisseiten auf Amazon werden bereits durch Werbeplatzierungen dominiert, wodurch Amazon auch als Advertising-Plattform attraktiv(er) wird. Gerade in stark umkämpften Produktbereichen kommt man an Performance-Marketing auf Amazon nicht mehr vorbei, wenn man mit seinen Produkten dauerhaft und sofort sichtbar sein möchte. Neben Amazon Advertising ehem. Amazon Marketing Services (AMS), runden die zwei Formate Amazon Advertising Platform (AAP) und Amazon Media Group (AMG) das Angebot an Werbemittel und –formen auf breite Ebene ab.
Und auch in Sachen Werbung begünstigt das Flywheel-Prinzip wieder das „System Amazon“: Umso mehr potentielle Käufer nach Produktsuchen, desto mehr Werbeanzeigen werden ausgespielt (und angeklickt). Mehr Traffic an den Werbeanzeigen erhöht den Druck der Händler, hier aktiver zu werden und die Budgets zu erhöhen. Höhere Budgets sind gleichbedeutend mit höheren Einnahmen für Amazon, sprich der Cash-Flow wird erhöht. Mit dem zugewonnen Budget kann Amazon in eine bessere Infrastruktur, neue Geschäftsbereiche und Forschungsprojekte wie PrimeAir und Robotics investieren, was wiederum zu mehr Kunden und einem besseren Nutzererlebnis führt. Und auch hier dreht sich das Amazon Flywheel weiter und schneller.
Amazon Flywheel Strategie
Möchte man den Gerüchten Glauben schenken, hat Jeff Bezos bereits vor der eigentlichen Gründung von Amazon (damals noch mit dem Namen „Relentless“ gegründet) das Konzept des Flywheels entworfen und trifft darauf basierend auch heute noch seine Entscheidungen. Das geniale an der Flywheel-Strategie: Egal welcher Faktor im Flywheel begünstigt wird, hat dies Auswirkung auf alle anderen Aspekte. Erhöht sich beispielsweise „nur“ die Anzahl der Verkäufer, hat das wiederum direkten Einfluss auf die Angebotspalette, was zu einem bessere Nutzerlebnis führt. Senkt man die Preise, führt das zu mehr Traffic und das wiederum zu mehr Verkäufern und so weiter.