Im Jahr 1994 hat Jeff Bezos sein Unternehmen „Amazon“ gegründet und im August des gleichen Jahres stellt die New York Times in ihrer Zeitung die provokante Frage: „Has the internet been overhyped?“ Sie lagen genauso falsch wie Microsoft Boss Bill Gates, der 1995 sogar feststellte: „Internet is just a hype“. Noch im gleichen Jahr schaffte es Amazon, allein mit dem Verkauf von Büchern nur durch Mund-zu-Mund-Propaganda einen Umsatz von 20.000 US-Dollar zu erreichen. Schnell war Bezos klar: Diese Erfolg lockt viele „Copycats“ und Mitbewerber an. Die einzige Chance, sein Unternehmen für die Zukunft zu rüsten lautet: Schnell groß und innovativ werden. „Get big fast!“ war fortan das Kredo von Amazon.

Im Jahr 2001 war Amazon zum ersten Mal in der Firmengeschichte profitabel: ganze 5 Millionen Dollar Gewinn erwirtschaftete Bezos aus 1 Milliarde Umsatz. Umgerechnet bedeutet das eine Umsatzrentabilität von 0,5% – für Investoren trotz erstmalig schwarzer Zahlen ein unterirdisches Ergebnis. Aber Profit stand von Anfang an nicht auf Bezos ToDo-Liste. Es ging ihm schon immer nur um Wachstum und Innovation – nicht oft zum Ärgernis der Investoren und Aktionäre.

Amazon Brand Guide

Amazon – The Everything Store

Innovativ kann nur der sein, der auch etwas ausprobiert und ein Scheitern riskiert. Gescheitert ist Bezos bei Amazon im Kleinen schon häufiger, aber das hat ihm nie vom Kurs abgebracht. Ziel war es vom „Day One“ immer schon einen „Everything Store“ aufzubauen – eine Plattform, auf der jeder Mensch jedes physische Produkt kaufen kann. Heute, 2018, ist Amazon seinem Ziel schon ein ganzes Stück näher gekommen. Allein in Deutschland bietet Amazon über 300 Millionen aktive Produkte an – ein Portfolio, dass Amazon zum größten Retail-Webshop der Welt macht.

Innovation heißt für Amazon auch, sich ständig neu zu erfinden. Während der Versuch, ins Schmuckgeschäft einzusteigen 2005 scheiterte, gelang mit dem Prime-Service eine wahre Erfolgsgeschichte, die maßgeblichen Einfluss noch heute auf all die Produkte und Services von Amazon hat. 2007 gelang das nächste große Ding: Der Kindle Ebook-Reader kam auf den Markt und war binnen weniger Stunden weltweit ausverkauft. 2011 ging Prime Video an den Start und viele weitere Innovation folgten: Amazon Robotics, Amazon Web Services (AWS), Prime Air, Amazon Go, Amazon Pantry, Amazon Echo, Amazon Dash und viele eigene Handelsmarken von Amazon gingen an den Start.

Mit über 560.000 Angestellten ist Amazon einer der größten Arbeitgeber der Welt und hat damit 3-mal mehr Mitarbeiter, als Google, Facebook und Alibaba zusammen. Die Kombination, aus einer riesigen Produktpalette, dem Prime-Service und dem „Customer First“ Grundsatz hat Amazon ein System geschaffen, dass in der Art einzigartig ist und damit auch den Handel neu definiert. Viele Nutzer der Plattform (speziell die Prime-Kunden) kaufen auf Amazon nicht immer nur etwas ein, weil sie es dringend benötigen, sondern viel mehr, weil es schlicht Spaß macht und so einfach geht.

Amazon im Leben der Menschen

amazon-alexa-echo-family

Am 28.02.2017 fühlte es sich an, als wäre das gesamte Internet lahmgelegt: Spotify, Dropbox, Tinder, Pinterest und viele andere Plattformen waren für einige Stunden offline. Das lag nicht etwa an einer transatlantischen Kabelbruch oder einer Hacker-Attacke. Es war schlicht ein Tippfehler eines Amazon-Entwicklers, der einen Fehler in der AWS, Amazons eigenem Cloud-System, begangen hatte. Die Amazon-Cloud ist preislich und technisch so attraktiv und performant, dass viele Services auf dieses System setzen. Fällt es einmal aus, hat das fatale Folge für Millionen von Nutzern – eine solche Macht hat Amazon schon heute.

Amazons Eigenmarken

Und auch beim Endkunden dringt Amazon immer tiefer in seine Strukturen des täglichen Lebens ein. Mit Alexa, der Spracherkennungs-Hardware, ist Amazon schon heute mit Millionen Haushalten direkt verbunden. Echo, Echo Plus, Echo Dot, Echo Dot Kids, Echo Connect, Echo Spot, Echo Show, Echo Look – all das sind Geräte, die heute schon zuhause und Büro arbeiten, selbst lernen und Daten sammeln.

Dazu kommen über 70 Eigenmarken, die Amazon still und heimlich die letzten Jahre gelaunched hat: Find, Denali, Wickedly Fresh, Amazon Fresh, Happy Belly, Arabella, Mama Bear, Presto, Amazon Elements, Lark & Ro, Mae und noch viele andere Marken bringen Verbrauchsgüter, Fashion, Lebensmittel, Elektronikprodukte, Haushaltswaren und vieles mehr unter das kaufhungrige Volk.

Amazons Konkurrenten

Interessant wird es auch, wenn man sich durchliest, wem sich Amazon selbst konfrontiert sieht. Im „Form 10-K“, dem von der US-Regierung auferlegtem Jahresbericht für Wertpapier-Unternehmen, zählt Amazon folgende Konkurrenten auf:

Online-, Offline- & Multichannel-Retailer, Publisher, Vendoren, Distributoren, Hersteller von Waren, Web-Suchmaschinen, Shopping-Websites, soziale Netzwerke, Web-Portale, jede Form von App, die Waren oder Dienstleistungen anbietet, Unternehmen mit E-Commerce Dienstleistungen (Website-Entwicklung, Onlinewerbung, Kundenservice, Fulfillment, Payment) Logistikunternehmen, Unternehmen, IT-Dienstleistungen, Cloud-Anbieter, Unternehmen, die Elektronikprodukte entwickeln, herstellen, vermarkten oder verkaufen.

Betrachtet man das einmal aus der Vogelperspektive, dann dürfte das beinahe jedes wirtschaftlich-agierendes Unternehmen sein, das derzeit im digitalen Business operiert. Und das ist nicht einmal größenwahnsinnig von Amazon, denn der Konzern ist auf all diesen Gebieten bereits aktiv.

Amazons Vision

amazon-business-modelle

Der Traum vom „Everything Store“ ist längst durch viele weitere Geschäftsgebiete erweitert und verbessert worden. Aus einer 2-Tageslieferung wurde eine 2-Stundenlieferung, ein Supermarkt ohne Personal, eine Eingangstür, die dem Postboten selbstständig öffnet und ein fliegendes Warenlager mit eigenen Transport-Drohnen. Vieles davon befindet sich schon aktiv in der Entwicklung oder ist sogar schon live im Einsatz.

3 Säulen für Amazons Erfolg

amazon-flywheelMassives Wachstum

Jeff Bezos hat schon früh erkannt, dass Amazon nur dann dauerhaft erfolgreich sein wird, wenn das Unternehmen permanent und extrem schnell wächst. Dabei war ihm sein Anfangsgeschäft, der Verkauf von Büchern, die wirklich wichtig gewesen. Es war nur ein erster Baustein. Für Bezos stand immer die Frage im Mittelpunkt: „Hat dieses Produkt einen Vorteil, wenn es schneller, größer oder einfacher ist?“ Während beispielsweise für Apple schon immer die Kombination aus Design und Technologie fundamentaler Bestandteil des gesamten Unternehmens ist, war es für Amazon von Anfang an nur Skalierbarkeit. Gepaart mit dem Grundsatz „Customer First“ wurde daraus ein globales Unternehmen, das eine halbe Million Menschen beschäftigt und so breit aufgestellt ist, wie kaum ein Zweites.

Kundenzufriedenheit

Während der Einzelhandel und Fachhandel im Wachstum stagniert und seine Kunde als Mittel zum Zweck behandelt, hat Amazon genau den anderen Weg eingeschlagen. Bei jedem neuen Produkt stellt sich das Unternehmen immer wieder erneut die Frage: „Welchen Mehrwert bringt es für den Kunden?“ Nur wenn diese Frage sinnvoll beantwortet werden kann, wird ein neuer Service, ein neues Produkt oder irgendeine Art von Veränderung bei Amazon vorangetrieben.

Profit spielt für Bezos keine Rolle – wichtig ist nur das Wachstum, der aus einer neuen Idee generiert werden kann. Ein gutes Beispiel ist der kindle. Die Einsteigerversion gibt es bereits für 70,00 EUR. Allein die Teile des Ebook-Readers kosten Amazon schon 69,00 EUR. Dazu kommt noch die Fertigung mit ca. 4,70 EUR – macht einen Verlust von ca. 3,70 EUR pro verkauftem kindle. Marketing, Versand und Support sind hier noch nicht einmal mit eingerechnet. Dennoch ist es unterm Strich für Amazon ein Zugewinn, denn mit jedem verkauftem kindle steigt auch die Zahl verkaufter Bücher und anderer Medien. Damit werden mehr Daten gesammelt und es kann ein gezielteres Advertising (z.B. über AMS oder AAP) gemacht werden. Der Kunde freut sich, weil er einen hochwertigen aber günstigen Ebook-Reader kaufen konnte und wird ein ähnliches Gerät bei Amazons Konkurrenz wohl kaum ein zweites Mal kaufen. Win-Win für beide Seiten.

Langfristigkeit

Amazon gab noch nie etwas auf das Gemurre und Gemecker von Investoren und Aktionären. Wachstum, Skalierbarkeit und Kundenzufriedenheit stehen bei allem Handeln immer im Mittelpunkt. Sollte einmal Profit erwirtschaftet werden, wird dieser sofort in neue Geschäftsbereiche und Produkte investiert – 100% Wachstum. Ein zentrales Bindeglied dabei stellt der eigene Service „Amazon Prime“ da, der Video- und Musik-Streaming als auch kostenlosen Versand und schnellere Lieferbedingungen vereint. Prime-Kunden geben mehr Geld auf Amazon aus und nutzen die verschiedenen Services der Plattform intensiver. Die attraktive Streaming-Angebote und besondere Verkaufstage wie den Prime-Day oder den Black Friday gewinnt Amazon immer mehr Prime-Kunden und baut so seine treue Stammkundschaft immer weiter aus. Eine Investition, die sich langfristig lohnen wird, denn Prime-Kunden kaufen selten noch woanders ein, als bei Amazon.

Amazons Reichweite

Unglaubliche 300 Millionen Produkte gibt es allein auf Amazon.de und jeder dritte Euro wird vermutlich bereits auf dem Marketplace ausgegeben. Im Vergleich zu anderen E-Commerce-Plattformen wächst Amazon viel schneller und ist zudem mit seinen ganzen Zusatz-Services immer mehr verbunden mit dem täglichen Leben der Menschen. Die hauseigene Suchmaschine „A9“ z.B. liefert jeden Tag 1,2 Milliarden Werbeanzeigen aus, welche von den Sellern und Amazon Vendoren geschalten werden.

Und Amazon dringt in immer mehr Bereiche und Industrien vor: Handel, Pharmazie, Lebensmittel, Advertising, Cloud, B2B, Finanzen. Und mit jedem weiteren Baustein bekommt Amazon noch mehr Daten, mehr Reichweite und wird damit immer attraktiver für Endkunden, Händler und Werbetreibende. Ein System, namens „Amazon Flywheel“, was Jeff Bezos bereits zu den Anfangsstunden erdacht hat.

Amazon geht nicht wieder weg

amazon-geschaeftsbereiche

Bill Gates behauptete 1995: „Internet is just a hype“. Wer heute darauf wettet oder sogar hofft, dass Amazon wieder verschwindet und der gute alte Einzelhandel wieder aufblüht, der wird genauso falsch liegen, wie Bill Gates vor 23 Jahren. Schaut man nur auf die ganzen Geschäftsfelder, in denen Amazon tätig ist:

  • Hersteller von Produkten
  • Marketplace für Retailer
  • Werbeplattform (AMS / AMG / AAP)
  • Supermarket + Bücherladen
  • Lebensmittel-Lieferdienst
  • Payment-Provider
  • Spenden-Service (Amazon Smile)
  • Produkt-Tester-Service
  • Musik- und Video-Streaming
  • Suchmaschine
  • Logistikdienstleister
  • Cloud-Service

Man darf es gern kritisieren. Man muss es nicht schön finden. Man kann es auch ignorieren. Aber: NEIN, Amazon geht nicht wieder weg. Der Erfolg von Amazon wird sich weiter fortsetzen. Gut möglich, das Amazon bald stärker durch Regierungen und Behörden reglementiert wird. Fakt aber bleibt, dass Amazon immer mehr ein Bestandteil des täglichen Lebens vieler Menschen ist und immer mehr wird. Wohl dem, der diese Tatsachen nicht ignoriert und sein eigenes Business mittelfristig darauf ausrichtet.

Ronny Marx Vortrag Update-Konferenz in Hannover

Im Rahmen der Update-Konferenz habe ich einen Vortrag zum Thema „Warum ist Amazon so erfolgreich“ gehalten. Die Folien zum Vortrag können hier heruntergeladen werden:

Autor

  • Ronny Marx

    Ronny beschäftigt sich seit einigen Jahren intensiv mit dem Thema Suchmaschinenoptimierung, ist regelmäßig auf Konferenzen als Speaker unterwegs und bloggt gerne über seine Kernkompetenz SEO.

    Alle Beiträge ansehen