Das dürfte bei vielen einschlagen wie eine Bombe, denn seit kurzem steht fest, dass Amazon offiziell gegen Produkttester vorgeht – zumindest seine Guidelines dahingehend ändern und verschärfen wird. Wie seit kurzem im amerikanischen Amazon Blog zu lesen ist, verbietet Amazon den Aufbau von Rezensionen durch Produkttester – mit einer Ausnahme: Amazon Vine. Was viele Verkäufe da draußen nerven wird, das dürfte die Bewertungsportale wohl gerade schockieren, denn mit dieser Ankündigung ist mal eben über Nacht das Business-Modell im Eimer. Auch eine Amazon Optimierung dürfte nun deutlich schwerer gehen, bzw. braucht ein paar neue Strategien.

Update (04.10.2016 – 12:20 Uhr): so funktioniert Amazon Vine
Update (05.10.2016 – 12:05 Uhr): Video zur Studie von ReviewMeta.com

Amazon Brand Guide

Warum verbietet Amazon Reviews durch Produkttester?

Um die Entscheidung Amazons zu verstehen, muss man kurz einen Schritt zurückgehen. Vor einigen Monaten führte Amazon den Badge ‚verifizierter Kauf‘ ein, mit dem man eine normale Bewertung (entstanden durch eine reguläre Bestellung mit anschließenden Rezension) von einer Kundenmeinung eines Produkttesters (entstanden durch einen stark rabattierten, bzw. kostenlosen Erwerb eines Produktes) unterschieden konnte. Dies hat allerdings nur mäßig funktioniert, denn gefühlt 50% der durch Produkttester abgegebenen Bewertungen wurden immer noch als „verifiziert“ angezeigt. Ein normaler Kunde dürfte den Unterschied sowieso nicht gesehen geschweige denn verstanden haben. Das führte dazu, dass quasi über Nacht frisch gestartete Produkte so viele Bewertungen einsammeln konnten, wie Artikel mit einer langen Verkaufshistorie über mehrere Monate oder gar Jahre. Des einen Leid war des anderen Freud – aber, wie sich nun rausstellt, so gar nicht im Sinne des E-Commerce-Riesen.

Review-Studie belegt:
Produkttester bewerten „zu gut“

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

In diesem YouTube-Video wird die Studie von ReviewMeta.com noch einmal schön zusammengefasst. Aber Achtung: gut zuhören, denn der Sprecher liest den Text verdammt schnell vor.

Gegner Produkttester und ihren Reviews behaupteten oft, dass diese Bewertungen oftmals einfach positiver seien, als sie ohne rabattiertem Kauf oder kostenloser Vergabe von Produkten zustande gekommen wären. Und eine Studie von ReviewMeta.com mit über 7 Millionen Rezensionen hat nun gezeigt, dass Produkttester nicht nur deutlich öfter, sondern im Durchschnitt auch 0,38 Sterne positiver bewerten als ein normaler Käufer es tun würde. Was sich erst einmal marginal anhört hat dennoch einen enormen Einfluss auf das Kaufverhalten, denn während ein Produkt mit 4,36 Sternen eher mittelmäßig angesehen ist, so ist ein Artikel mit 4,74 Sternen bereits ein Top-Produkt. Genau das konnte in der Vergangenheit binnen Wochen mit Produkttester erreicht werden – sei die Kategorie auch noch so umkämpft. Ebenfalls zeigte die Studie, dass ein „normaler“ Kunde im Durchschnitt 31 Bewertungen abgegeben hat, während ein Produkttester durchschnittlich 232 Rezensionen in der gleichen Zeit geschrieben hat.

studie-amazon-bewertungen-1

Studie von ReviewMeta.com: Produkttester sind 12 mal weniger motiviert, eine 1-Sterne-Bewertung abzugeben, als normale Käufer.

 

 

studie-amazon-bewertungen-2

Studie ReviewMeta.com: Rezensionen von Produkttestern sind im Durchschnitt um 0,38 Sterne besser und machen damit aus einem unbedeutenden ein Top-Produkt.

 

 

Auch der Detailblick auf Produkte offenbarte Deutliches: in der Studie wurden 251 Produkte und 609.766 Reviews untersucht, welche mindestens 10 normale Rezensionen und 10 von offensichtlichen Produkttester zählten. Dabei stellte man fest, das 86% der Produkte von den Testern deutlich besser bewertet wurden, als von den organischen Käufern. Während verifizierte Käufer Produkte teilweise mit durchschnittlich 2,7 Sternen bewerteten, so rezensierten Produkttester hier mit 4,7 Sternen – ein riesen Unterschied.

studie-amazon-bewertungen-3

Studie ReviewMeta.com: Produkttester bewerten ein Produkt häufig deutlich besser als normale Käufer.

Weniger Vertrauen durch Kunden in Produkttester Rezensionen

Nach eigener Aussage stellte Amazon nun wohl fest, dass Käufer immer öfter den Bewertungen von Produkten weniger Vertrauen schenkten, da diese zahlreich von Produkttestern bewertet und damit in ihren Augen beeinflusst waren. Ein Super-GAU für Amazon, denn ob E-Commerce-Riese oder Mini-Onlineshop: wer das Vertrauen seiner Kunden verliert, der riskiert seine Glaubwürdigkeit und damit auch sein Business. Das scheint wohl nun der Grund dafür zu sein, dass Amazon den Produkttester-Gruppen ein Riegel vorschiebt und Bewertungen von Produkttestern löschen wird. Richtig, „wird“, denn diese neue Regel gilt erst ab jetzt – heißt, dass die meisten bisherigen Bewertungen durch Produkttester bestehen bleiben – wohl dem, der hier diesen Service schon umfangreich in Anspruch genommen hat und zum Leidwesen derer, die ihre Rezensionen mühsam mit echten Käufern generiert haben.

studie-amazon-bewertungen-4

Studie ReviewMeta.com: Produkttester bewerten ein kostenloses oder stark rabattiertes Produkt deutlich unkritischer als ein normaler Käufer.

 

Neue Guideline bis jetzt nur in den USA

Die neue Richtlinie gegen beeinflusste Bewertungen gilt derzeit mit sofortiger Wirkung erst in den USA und damit noch für amazon.com. Aber wie die Vergangenheit schon oft gezeigt hat, wird es wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis Rezensionen von Produkttestern auch auf amazon.de verboten werden. Das Resultat nach dieser Meldung dürfte wohl sein, dass viele Verkäufer noch schnell ihre Agenturen oder Bewertungsportale, bzw. Facebook-Gruppen, bemühen werden, um schnell noch viele Rezensionen aufzubauen. Diese Bemühungen dürfte aber sehr wahrscheinlich um sonst sein, denn wie techcrunch.com in seinem Blogartikel mitteilt, löscht Amazon exzessiv generierte Produkttester-Reviews auch im Nachgang. Auch wenn das Update dieser Guideline noch nicht für Deutschland gilt, so kann man aber mit Sicherheit davon ausgehen, dass genau das auch auf amazon.de passieren wird, sobald die Richtlinie auch hierzulande in Kraft tritt.

Amazon Vine profitiert,
die Bewertungsportal verlieren

Perfiderweise hat Amazon gar nichts gegen Produkttester per se – basiert doch genau auf dieser Grundlage ihr eigener „Club der Produkttester“ namens „Vine“. Allerdings zieht Amazon hier einen klaren Trennstrich und nennt dafür folgende Unterschiede zu den Bewertungsportalen:

  1. Verkäufer und Produkttester haben keinen direkten Kontakt.
  2. Amazon sucht sowohl Verkäufer als auch Rezensenten selbst aus.
  3. Amazon zeigt nur eine bestimmte Anzahl an Vine Rezension an.
  4. Durch Vine entstandende Rezensionen sind speziell gekennzeichnet.
  5. Es wird kein Test mit einem rabattierten Kauf verbunden.
  6. Die Rezensenten sind nicht in der Pflicht eine Bewertung zu schreiben, nach dem sie das Produkt kostenlos erhalten haben.

Bevor sich jetzt bestimmte Bewertungsclubs die Hände reiben und sich in ihrem Business-Modell bestätigt sehen, so sei an dieser Stelle nochmals auf Punkt 2 hingewiesen, denn hierin sieht Amazon den wohl wichtigsten Argumentationspunkt für Vine: sowohl der Verkäufer als auch die zur Verfügung stehenden Rezensenten werden von Amazon höchst selbst ausgewählt. Ende der Diskussion.

Update zu Amazon-Vine

Ich wurde gerade in der Amazon-SEO Facebook-Gruppe darauf hingewiesen (danke, Felix G.), dass das Vine-Programm von Amazon doch etwas anders abläuft. Aktuell steht dieser „Club der Produkttester“ nur den Vendoren zur Verüfung – also solchen Händlern, die ihre Waren direkt an Amazon verkaufen. Je nach Land kostet die Teilnahme pro Produkt dann zwischen 500 und 1.000 Euro, dafür fallen aber (anders als bei den aktuellen Tester-Portalen) keine Gebühren mehr für jede einzelne Bewertung an. Der Ablauf von Vine sieht dabei wie folgt aus:

  1. Jeder Vendor kann beim Vine-Programm mitmachen und muss nicht ausgewählt werden – sehr wohl aber diesen Service bezahlen.
  2. Die Samples, für die Bewertungen aufgebaut werden sollen, werden an das Amazon Warenlager geschickt.
  3. Amazon sucht dazu dann passende Rezensenten aus und schickt diese Samples dann an jeder Tester weiter.
  4. Erst nach dem eine Bewertung für ein kostenloses Produkt abgegeben wurde, kann ein Rezensent über Vine weitere Artikel erhalten. Somit ist indirekt eine gewisse Pflicht der Bewertung gegeben.

Noch ein Hinweis, bzw. eine Korrektur dazu: es werden alle Vine-Rezensionen angezeigt, allerdings ist die Anzahl der Samples begrenzt, welche ein Händler für ein Produkt eingeschickt werden können. Aktuell kann ein Vendor über Vine maximal 30 Samples zum Testen freigeben – also maximal 30 Bewertungen über Vine aufbauen. Amazon musste hier ein Riegel vorschieben, nach dem einige Vendoren wohl in vierstelliger Höhe Produkte zum Testen an das Lager geschickt hatten.

Welche Alternativen gibt es zu Amazon Vine um Rezensionen zu generieren?

Viele Händler dürften sich jetzt wohl die Frage stellen, wie man noch Bewertungen aufbauen soll, ohne Produkttester dafür zu akquirieren. Sowohl die vielen Produkttester-Facebook-Gruppen als auch Portale und Agenturen sind mit dieser Änderung der Guidelines Geschichte – zumindest in ihrer bisherigen Form – das ist sicher. Nun ist tatsächlich wieder Kreativität gefragt um Reviews für seine Produkte zu generieren. Hierzu mal ein paar erste Gedanken und gleich eine Bewertung dazu, was erlaubt ist und was nicht:

  1. Vorab mit dem Produkttester sprechen, das Produkt zum vollen Preis kaufen lassen und den Betrag über einen dritten Weg (z.B. PayPal) zurück überweisen: Das ist zwar möglich und Amazon dürfte davon nichts mitbekommen, allerdings grenzt das stark an Betrug und verstößt auch noch gegen das Wettbewerbsrecht. Einige Händler werden diesen Weg trotzdem gehen – dennoch ist davon abzuraten.
  1. Produkt zum vollen Preis kaufen lassen und später einen Gutschein über die gesamte Kaufsumme geben: Dürfte auch funktionieren, aber ist erstens für Amazon schneller herauszufinden und zweitens verstößt auch das gegen das Wettbewerbsrecht.
  2. Nach der Bestellung den Kunden anschreiben und um eine Bewertung bitten: Das geht und funktioniert idR auch sehr gut. Allerdings muss man hier sehr aufpassen, denn ist das Produkt und die Rechnung erst einmal zugestellt, so darf der Käufer nicht zusätzlich angeschrieben werden. Auch die netteste E-Mail ist in diesem Fall Werbung und damit ohne Einverständniserklärung des Käufers abmahngefährdet.
  3. Kunden anrufen und um eine Bewertung bitten: Auch dies ist eine effektive Methode – hat nur zwei wesentliche Haken. Erstens ist ein Anruf genauso Werbung und damit nicht erlaubt und zweitens werden in den meisten Kategorien keine Telefonnummern von Käufern mehr angezeigt.
  4. Incentive ins Paket beilegen und um Bewertung bitten: Kann man machen, hat allerdings erfahrungsgemäß eine deutlich niedrigere Erfolgsquote. Wer hier kreativ ist, der kann durchaus den einen oder anderen Käufer zu einer Rezension anregen, die er oder sie sonst sehr wahrscheinlich nicht abgegeben hätte.

Fazit

Diese Meldung dürfte wohl bei allen Amazon-Händler eine ordentliche Welle schlagen. Fakt ist, dass man nun nicht mehr so einfach Produkte nach oben pushen kann. Rabattierte Käufe sind nach wie vor möglich und damit lässt sich (entgegen der Meinung einiger Leute) noch immer der Verkaufsrang deutlich verbessern. Allerdings dürfte es sehr wahrscheinlich noch in diesem Jahr auch in Deutschland verboten sein, Rezensionen durch Produkttester aufzubauen. Wer sich nun vielleicht die Frage stellt, wie Amazon das denn bei Millionen von Produkten mitbekommen soll, dem sei gesagt, dass sie ersten technisch sehr wohl in der Lage sind, stark rabattierte Verkäufe und anschließende Reviews herauszufiltern sowie automatisch zu löschen. Zweitens riskiert man als Händler bei Verstoß gegen diese Guidelines seinen Seller-Account und das will wohl niemand. Bleibt also nur nach neuen, kreativen Wegen und Lösungen zu suchen, um möglichst viele der begehrten gelben Sternchen für seine Produkte einzusammeln – ein Grund mehr, warum Amazon SEO für Onlinehändler nun noch wichtiger wird.

Zumindest hat Amazon angekündigt, dass Vine in Zukunft „more useful“ wird – was auch immer das heißen mag. Gut möglich, dass Vine damit auch vielen weiteren Händlern zugänglich gemacht wird, was sehr wahrscheinlich allerdings nicht kostenlos geschehen dürfte. Das Amazon nun Rezensionen anderer Quellen verbietet, ist einerseits nachvollziehbar, andererseits auch schade. Wurden doch die Rezensionen der Tester sehr viel häufiger mit „hilfreich“ markiert und lieferten damit nachgewiesenermaßen einen Mehrwert. Sei es drum – nun gilt es eine Herausforderung im Amazon-Game mehr zu meistern.

 

Autor

  • Ronny Marx

    Ronny beschäftigt sich seit einigen Jahren intensiv mit dem Thema Suchmaschinenoptimierung, ist regelmäßig auf Konferenzen als Speaker unterwegs und bloggt gerne über seine Kernkompetenz SEO.

    Alle Beiträge ansehen